Was ist Maßregelvollzug?

Bei der Beurteilung und Verurteilung von Straftätern spielt das Maß der Schuld, dass sie durch ihre Tat auf sich geladen haben, eine wesentliche Rolle. Es gibt krankheitsbedingte psychische Zustände, die die Wahrnehmung und das gezielte Handeln eines Täters so massiv beeinflussen, dass er die Verantwortung für sein strafbares Handeln nicht im ausreichenden Maße übernehmen kann. Dieser Tatsache wird bereits seit der römischen Antike in der Rechtssprechung Rechnung getragen und findet heute ihren Niederschlag in den Begriffen der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) und Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB). Sind diese Menschen infolge ihres Zustandes für die Allgemeinheit gefährlich, so ordnet das Gericht bei entsprechenden juristischen und medizinischen Voraussetzungen eine Maßregel der Besserung bzw. Sicherung an.

Als freiheitsentziehende Maßregel kann angeordnet werden:

  • die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB)
  • die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB)
  • die Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB).

Im Sächsischen Krankenhaus Altscherbitz wird die Maßregel nach § 63 StGB vollstreckt.

Einweisungsvoraussetzungen in die Maßregel

Zu den Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 63 StGB gehören, dass der Täter zum Zeitpunkt der Straftat an einer:

  • seelischen Störung (psychiatrische Erkrankungen, die eine organische oder eine nach heutigem Kenntnisstand vermutete organische Ursache haben; Beispiele: Vergiftungen, Stoffwechselstörungen, Zustände nach Hirnverletzungen, Demenzerkrankungen, Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis)
  • tiefgreifenden Bewusstseinsstörung (sogenannte Affekttaten, d.h. psychisch gesunde Täter in einer zum Tatzeitpunkt extremen psychischen Ausnahmesituation),
  • Schwachsinn (ausgeprägte Intelligenzminderungen ohne nachweisbare Schädigung des Gehirns)
  • oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit (andere schwere psychische Erkrankungen ohne nachweisbare Hirnschädigung, z.B. Persönlichkeitsstörungen, Sexualstörungen) erkrankt war.

Die Tat muss außerdem in einem kausalen Zusammenhang zur Erkrankung stehen. Sollte dies der Fall sein, gilt es sicher festzustellen, ob aufgrund der Schwere einer Erkrankung die Steuerungsfähigkeit im Vergleich zu einem gesunden Menschen erheblich eingeschränkt (§ 21 StGB) oder die Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt aufgehoben war (§ 20 StGB).

Besteht diese Erkrankung zum Verhandlungstermin weiterhin und sind deshalb weitere erhebliche Straftaten oder eine Gefährdung der Allgemeinheit zu erwarten, kann das Gericht neben einer eventuellen Strafe auch eine Unterbringung in einer Maßregelvollzugsanstalt anordnen.

Entlassungsvoraussetzungen aus der Maßregel

Die Unterbringung nach § 63 StGB ist zeitlich unbefristet und wird erst vom Gericht aufgehoben, wenn zu erwarten ist, dass vom Täter zukünftig keine schweren rechtswidrigen Taten begangen werden. In diesem Fall wird die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt.

Die medizinisch-forensischen  prognostischen Einschätzungen werden im Rahmen der jährlichen Anhörungen vor der zuständigen Strafvollstreckungskammer vorgenommen. Zusätzlich wird dies aller 3 Jahre, nach dem 6. Jahr der Unterbringung aller zwei Jahre, durch einen wechselnden externen Gutachter geprüft.

 

Bei Unterbringungen wegen besonders gefährlicher Straftaten (Sexualstraftaten, schwere Körperverletzung, Tötungsdelikte u.ä.), muss vor einer Entlassung ein externes Prognosegutachten eingeholt werden.

 

Aufgrund der bundesweit in den letzten Jahrzehnten ansteigenden Anzahl sehr langer Unterbringungsdauern mit zum Teil deutlich über 10 Jahre erfolgte mit Wirkung zum 1.8.2016 eine Strafrechtsreform zum § 63 StGB. So bleiben mit Änderung des § 67d Abs.2 und 3 Unterbringungen über bestimmte Zeiträume  von 6 bzw. 10 Jahren nur dann noch verhältnismäßig, wenn mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr der Begehung schwerer Straftaten gegen Personen besteht. Ist nach Einschätzung des Gerichtes die weitere Unterbringung unverhältnismäßig, so muss die Maßregel erledigt werden.

 

Im Falle einer Entlassung steht der Patient bis zu 5 weiteren Jahren unter Führungsaufsicht und hat diverse Auflagen des Gerichts zu erfüllen, wie z.B. die Begleitung durch die Forensische Institutsambulanz.